Wie geht das mit Barmherzigkeit?

    Als Wort des Jahres 2020 hat die Gesellschaft für deutsche Sprache das Wort "Corona-Pandemie" ausgewählt.

    Darauf hätte ich gerne auch verzichten können. Lieber schaue ich auf die sogenannte Jahreslosung für das Jahr 2021, die von der Ökumenischen Arbeitsgemeinschaft für Bibellesen ausgesucht wird. Dieser Spruch aus der Bibel lautet "Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist". Hier ist natürlich Gott als der Vater gemeint.

     

    Zunächst denke ich mir, dass die Messlatte ganz schön hoch hängt, wenn ich mir Gott als Vorbild nehmen soll.

    Wir sollen barmherzig sein und das auch noch so, wie Gott barmherzig ist. Also das bekomme ich nie hin. Da brauche ich mit dieser Jahreslosung erst gar nicht anfangen. Was hat sich der Herausgeber des Textes dabei nur gedacht?

    Aber bevor wir jetzt auf den neuen Spruch für 2022 warten, schauen wir uns den Vers doch noch etwas genauer an. "Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist!" Wie barmherzig ist Gott denn eigentlich? Gott bezeichnet sich selbst als barmherzig und gnädig. Das können wir bei den 10 Geboten lesen und auch an vielen anderen Stellen in der Bibel. Gott ist ein großzügiger und jederzeit vergebungsbereiter Vater und zeigt so, was Barmherzigkeit bedeutet: Eine unverdiente, aber großzügige Zuwendung in bedingungsloser Liebe. Gott sieht, was wir Menschen jeden Tag hier auf der Erde tun. Er sieht unsere Fehler, die wir machen. Er sieht, wie wir lieblos mit anderen Menschen umgehen. Er sieht das alles und es ist nicht in Ordnung für ihn. Aber Gott verzeiht uns, wie ein liebender Vater seinem Kind verzeiht, wenn wir ehrlich zu ihm kommen. Das ist ein großes Geschenk.

    Dieses Wissen, dass wir so einen barmherzigen Vater im Himmel haben, ist mir Motivation, selbst barmherzig zu sein. Wie kann Barmherzigkeit bei jedem Einzelnen im Jahr 2021 sichtbar werden?

    Barmherzigkeit ist Nächstenliebe, wie in der Bibel in den Werken der Barmherzigkeit aufgezählt wird: Hungrige speisen, Durstige tränken, Fremde beherbergen, Nackte kleiden, Kranke versorgen und Gefangene besuchen. Nun, das kann man vielleicht nicht so direkt umsetzen. Aber man kann einer Familie, die in Quarantäne ist, Essen und Trinken aus dem Supermarkt mitbringen. Oder Geld an Hilfswerke geben, die sich um Asylsuchende oder Obdachlose kümmern. Ebenso kann man an Menschen denken, die ein offenes Ohr am Telefon brauchen.

    Barmherzigkeit ist aber auch echtes Verzeihen. Das bedeutet Fehler und Dinge, die uns jemand angetan hat, oder die er unterlassen hat für uns zu tun, zu sehen, aber dann auch zu verzeihen. Verzeihen heißt nicht beiseiteschieben und dann irgendwann wieder rausholen. Verzeihen heißt abgeben, damit es nicht mehr zwischen mir und dem anderen Menschen steht.

    Ich wünsche allen Lesern ein Jahr voller Barmherzigkeit, die man von Gott geschenkt bekommt und auch an andere weitergeben kann. "Wie Gott mir, so ich dir!"

    Verfasst von Stefan Klinge am 8. Januar 2021.